Der Artikel erschien am Sonntag 01.12.19 in der Beilage „Grüezi Magazin“ der Neuen Züricher Zeitung, sowie in der Zeit in der Schweiz.

Das Interview können Sie hier lesen:

Für immer verbunden

Frau Kilian, Sie sind seit 16 Jahren Floristmeisterin und begleiten seither Brautpaare beim Vorbereiten und Umsetzen des Blumenschmucks rund um den schönsten Tag im Leben. Wie gehen Sie dabei vor?

Jedes Brautpaar bekommt von mir seinen ganz individuellen Hochzeitsschmuck. Schliesslich muss er authentisch sein und zu 100 Prozent zu den beiden passen. Im Mittelpunkt steht dabei natürlich die Braut. Mir ist es deshalb enorm wichtig, dass ich sie mindestens einmal persönlich getroffen habe, bevor wir mit der Planung loslegen. Ich achte bei diesen Treffen vor allem auf das Gesicht und die Augen, denn diese beiden Dinge sollten meiner Meinung nach den Hochzeitsschmuck massgeblich mitbestimmen.

Welche Rolle spielt das Gesicht einer Braut bei der Wahl des perfekten Brautschmucks?

Der Strauss soll immer das Besondere der Braut unterstreichen. Deshalb richte ich ihn nach der Gesichtsform aus. Bei der Farbwahl berücksichtige ich auf jeden Fall die Augenfarbe der Frau, die soll sich in der Blumendekoration widerspiegeln. Nicht zu unterschätzen ist auch die Hochzeitstorte. Darin, wie diese gestaltet ist, stecken für mich auch immer viele wertvolle Informationen. Und erst, wenn diese drei Dinge geklärt sind, frage ich nach dem Kleid.

Apropos Kleid: Ändern sich Blumentrends genauso schnell wie Brautkleidtrends?

Auf jeden Fall! Und beide Trends sind natürlich eng miteinander verbunden. Aktuell wünschen sich Brautpaare vor allem luftigen und leichten Blumenschmuck. Das liegt daran, dass gerade vor allem Boho- und Vintage-Hochzeiten im Trend liegen. Boho ist dabei die Abkürzung für „Bohemian“ und orientiert sich an dem besonderen Lebensstil der Bohème im 19. Jahrhundert.

Wie wichtig sind diese Trends für Ihre Arbeit?

Diese Trends sind für mich ein Leitfaden, aber keine strenge Vorgabe. Viel wichtiger, als dass meine Floristik dem letzten Schrei entspricht ist mir, dass sie zur Lebenssituation der Brautpaare passt. Und die sieht heute ganz anders aus als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten. Inzwischen arbeite ich mit vielen Paaren zusammen, die sich für eine freie Trauung entscheiden oder bereits Kinder haben. Da geht es wesentlich entspannter zu als früher, wo die Gäste und die Gesellschaft und deren Erwartungen vielleicht noch mehr im Mittelpunkt standen.

Wenn wir grade von Erwartungen sprechen: Eigentlich würde man in einem Brautstrauss auf jeden Fall Rosen erwarten, oder?

Tatsächlich spielen für die meisten Bräute Rosen eine untergeordnete Rolle. Die klassische rote Rose zum Beispiel verwende ich inzwischen kaum noch im Hochzeitsschmuck. Das liegt nicht daran, dass ich sie nicht mag, sondern dass meine Kunden sich etwas anderes wünschen. Voll im Trend liegt inzwischen zum Beispiel, Wildblumen und Saisonpflanzen zu verwenden. Wer im Herbst heiratet, wünscht sich Dahlien und Beeren in der Blumendekoration. Und genauso ist es mit den anderen Jahreszeiten. Eine grosse Rolle spielen bei der Entscheidung natürlich auch die Lieblingsblumen und Lieblingsfarben der Braut. Und nicht zu unterschätzen ist inzwischen die Farbe Grün. Die war früher nur begleitendes Beiwerk und übernimmt jetzt eine der Hauptrollen.

Das klingt so, als würde auch bei der Hochzeitsfloristik Natürlichkeit eine immer grössere Rolle spielen.

Das ist tatsächlich so. Immer mehr Brautpaare beschäftigt der Gedanke der Nachhaltigkeit, deshalb wünschen sie sich ein natürliches Hochzeitskonzept. Da ist es nur konsequent, den Brautstrauss und die Blumendekoration aus saisonal oder sogar regional verfügbaren Blumen und Wildblumen zu gestalten. Daraus entstehen dann oft wunderschöne Tischdekorationen. Die klassischen, opulenten Blumengestecke will heute kaum noch jemand haben. Stattdessen gestalten Braut und Bräutigam die Tische auf der Feier passend zu ihrem Konzept.

Dazu passt auch, dass viele Bräute Blumen inzwischen nicht nur in der Hand, sondern auch auf dem Kopf tragen.

Das passt gut zu der Lässigkeit und Natürlichkeit, die sich viele Brautpaare für ihre Feier wünschen. Blumenkronen auf dem Kopf der Braut oder eingeflochtene florale Elemente werden deshalb immer beliebter, die greifen den Boho- und Vintagetrend auf, ohne kitschig zu wirken. Besonders gefreut habe ich mich in den vergangenen Monaten über Junggesellinnenabschiede, bei denen die Braut mit ihren Freundinnen bei mir im Laden ihre Kränze selbst gebunden haben. Das macht nicht nur Spass, sondern schafft zusätzlich noch eine schöne Verbindung zwischen den Beteiligten.

Dürfen Braut und Bräutigam beim Blumenschmuck mit anpacken?

Auf jeden Fall! Mit vielen Paaren bespreche ich zwar den Blumenschmuck und besorge auf Wunsch auch sämtliche Materialien, die Umsetzung für die Tischdeko übernehmen die beiden mit Freunden und Familie dann aber auch gern selbst. Besonders schön finde ich aktuell, Weckgläser mit Bändern zu umwickeln oder mit ungebundenen Sträussen zu bestücken oder Schnittblumen in verschieden hohe Gefässe zu stellen.

INFO

Denise Kilian (42) ist Floristmeisterin in Radolfzell.
www.blumenwesen.de